Palmöl: Fragen und Antworten
Palmöl ist das bedeutendste Pflanzenöl und wird weltweit in einer Vielzahl von Produkten verwendet. Die negativen Folgen des Palmölanbaus für die Biodiversität, den Regenwald und oftmals auch die lokale Bevölkerung in Indonesien sind existenzbedrohend. An dieser Stelle greifen wir einige Fragen rund um das viel und intensiv diskutierte Palmöl auf.
Warum schadet Palmöl den Orang-Utans?
Die rapide Ausbreitung von Ölpalmplantagen ist hauptverantwortlich für die Fragmentierung und den Verlust des Lebensraumes des Orang-Utans. Über 90 Abholzungsfirmen sind im indonesischen Teil Borneos' aktiv. Oft sind es die gleichen Firmen, die auch die Ölpalm-Plantagen anlegen.
Obwohl sie bei der Abholzung verpflichtet sind, Waldinseln, die durch Korridore miteinander verbunden sind, für die zahlreichen in den zur Abholzung freigegebenen Waldgebieten lebenden Tiere stehen zu lassen, verzichten die Unternehmen oft auf die Korridore und lassen nur Waldinseln stehen. Die Waldkorridore sind jedoch sehr wichtig, da sie den Tieren erlauben, in weiter entfernt gelegene Waldgebiete abzuwandern. Bleiben die Tiere in den Inseln gefangen, reicht das dort vorhandene Nahrungsangebot schon bald nicht mehr aus, alle Tiere zu versorgen. Irgendwann trauen sich die Orang-Utans aus den Waldinseln heraus.
Getrieben von Hunger wagen sich sogar Orang-Utan-Mütter mit ihrem Baby hinaus in die Plantagen, um sich von den Ölpalmsetzlingen zu ernähren. Die Konsequenzen sind Konflikte mit den Plantagenarbeitern, von denen sie gejagt und getötet werden. Noch immer werden Orang-Utans häufig als landwirtschaftliche Schädlinge angesehen und die Unternehmen zahlen ihren Arbeitern sogar Prämien für die Tötung eines Orang-Utans.
Welche Auswirkungen hat die Palmölproduktion auf die lokalen Landwirtinnen und Landwirte in Indonesien? Wie hilft BOS Schweiz?
Am Rande des Schutzgebiets in der Mawas-Region leben rund 29 000, vorwiegend arme, Familien in 53 Dörfern, die teils schwer zugänglich sind – ein fruchtbarer Boden für illegale Aktivitäten wie Brandrodung, Wilderei, Holzeinschlag oder das Schürfen von Gold. Lokale «Kredithaie», die Geld zu überteuerten Konditionen verleihen, kommen hier genauso auf ihre Kosten wie Palmölproduzenten. Der lokalen Bevölkerung wird Land oft billig angeboten und günstige Arbeitskräfte stehen ausreichend zur Verfügung.
Die Menschen profitieren kurzfristig davon, werden aber finanziell abhängig gemacht und verlieren ihr Land langfristig: Wenn die Plantagen nicht mehr ertragreich sind, ziehen die Palmölfirmen weiter. Der Boden ist ausgelaugt, wertlos und mit Pestiziden verseucht.
BOS Schweiz verfolgt einen präventiven Ansatz, um illegale Aktivitäten zu bekämpfen und der ansässigen Bevölkerung einen Ausweg aus der Armut jenseits der Ölpalmplantagen zu bieten. Unser Ziel ist die Schaffung von alternativen, nachhaltigen und umweltverträglichen Einnahmequellen. Ausserdem führt BOS in der Mawas-Region Gesundheits- und Bildungsprojekte durch. Mit Mikrokrediten finanzieren wir die Herstellung, Veredelung und Vermarktung von Gütern, die auf herkömmlichen Produktionsmethoden beruhen (wie z.B. traditionelle Fischfangmethoden, die ansässige Rattan- oder Kautschukproduktion) oder Initiativen, die neue Einkommensmöglichkeiten bieten (z.B. die Eröffnung von kleinen Kiosken oder Copy Shops). Traditionelle Kunsthandwerks- und Anbaumethoden sollen erhalten und neue Kompetenzen erworben werden. Dies soll der lokalen Bevölkerung ermöglichen, für sich und ihre Familien ein sicheres und umweltverträgliches Einkommen zu generieren.
Marginalisierte indigene Gruppen, die dem Regenwald häufig viel Wertschätzung entgegenbringen, werden in ihrer Identität, ihrer Selbstbestimmung und in der Wahrnehmung ihrer Rechte gestärkt. Zudem unterstützen wir auch hier gezielt Frauen, um ihre Stellung in der Gesellschaft zu stärken. Auch in den Baumschulen unserer Aufforstungsprogramme und in den BOS-Rettungsstationen schaffen wir vor Ort hunderte Arbeitsplätze. Befristete Einkommensquellen wie die Anstellung auf einer Ölpalmplantage, der Verkauf des eigenen Landes oder lukrative illegale Aktivitäten wie Holzeinschlag und Wilderei werden dadurch unattraktiver. Die enge Zusammenarbeit mit den dörflichen Gemeinschaften in unmittelbarer Nähe unserer Rettungsstationen geht zudem mit einer wachsenden Wertschätzung der BOSF und ihrem Anliegen einher, das heisst mit einem steigenden lokalen Bewusstsein für den Arten-, den Orang-Utan-, den Natur- und den Umweltschutz.
Mehr Informationen zu unseren Community-Projekten finden Sie hier.
Warum betrifft die Regenwald-Vernichtung in Indonesien auch uns in der Schweiz?
Indonesien gehört zu den insgesamt 35 weltweiten Biodiversity Hotspots, welche gemeinsam fast 60 Prozent aller Pflanzen-, Vogel-, Säugetier-, Reptilien- und Amphibienarten unterstützen. Biodiversity Hotspots zeichnen sich also durch eine global bedeutende und einmalige Biodiversität aus. Diese ist von Zerstörung bedroht, und ein Grossteil der primären Vegetation ist bereits verloren. Der tropische Regenwald ist ein zentraler Bestandteil der grünen Lunge der Erde. Holz und Sumpfböden bestehen zum grössten Teil aus reduziertem Kohlenstoff.
Die starke globale Nachfrage nach Palmöl ist neben dem Abbau von Steinkohle und Gold hauptverantwortlich für die schnell voranschreitende Vernichtung des Regenwaldes. Werden Torfmoorböden für die Anlage grossflächiger Plantagen trockengelegt oder ausgedehnte Waldgebiete brandgerodet, gelangen Unmengen an gebundenem CO2 in die Atmosphäre. Dieser Effekt trägt erheblich zur Erderwärmung und zum Klimawandel bei.
Auch der Orang-Utan ist ökologisch von zentraler Bedeutung. Über die Nahrungsaufnahme trägt er zur Verbreitung von Pflanzensamen und damit wesentlich zur vegetativen Zusammensetzung des Regenwaldes bei. Stirbt diese Schlüsselgattung aus, verschwinden auch die Lebensgrundlagen zahlreicher anderer Arten im selben Ökosystem – und damit Teile eines der bedeutendsten Biodiversity Hotspots der Erde. Indem wir uns für den Schutz der letzten Borneo-Orang-Utans und den Erhalt ihres Lebensraumes, den Torfmoorwald, einsetzen, leisten wir einen direkten Beitrag zum Klimaschutz. Die nachhaltige Wirkung der Massnahen erreicht BOS über eine enge Zusammenarbeit mit der von Marginalisierung betroffenen lokalen Bevölkerung.
Gibt es nachhaltige Alternativen zu Palmöl?
Ein Bericht der IUCN (International Union for Conservation of Nature) legt nahe, dass sich beim Ersatz von Palmöl durch andere Ölpflanzen der Schaden auf weitere Ökosysteme (wie die südamerikanischen Tropenwälder oder die afrikanische Savanne) verlagern könnte. Wir sind überzeugt, dass bei der Suche nach sinnvollen Palmöl-Alternativen der Horizont erweitert werden muss, denn: Es gibt bereits heute wirklich kreative und innovative Ideen! Statt von einer riesigen Monokultur auf eine andere umzusteigen, ist deshalb eine Diversifizierung sinnvoll.
Um ein Beispiel zu nennen: Das Biotech-Startup Carbocycle hat ein Verfahren entwickelt, mit welchem auf organischem Abfall Pilzkulturen gezüchtet und daraus eine Palmölalternative hergestellt werden kann. Das bietet unter anderem deshalb grosse Vorteile, weil der Produktionszyklus mit einigen wenigen Tagen so kurz ist, dass die Anbau-/Anzuchtfläche sehr effizient genutzt werden kann – im Gegensatz zu Ölpalmen, die bis zur Erntereife einige Jahre grosse Flächen besetzen, obwohl sie in diesem Status noch unproduktiv sind. Zum Anbau wird kein Regenwald gerodet, vielmehr sollen die Pilzkulturen auf Bio-Abfall wachsen, der ohnehin anfällt und gelagert wird. Das Start-up hat dazu auch Projekte mit der Abfallindustrie verfolgt, beispielsweise in Biogas-Anlagen.
Es wäre begrüssenswert, wenn die Wissenschaft und Forschuung in diesem Bereich intensiviert würde, sodass (weitere) sinnvolle, nachhaltige Palmöl-Alternativen gefunden werden können.
Und «last but not least» bleiben wir dabei und hinterfragen die zugrunde liegende Prämisse der Diskussion: Braucht es denn überhaupt so viel Palmöl? Wie haben unsere Eltern gelebt, bevor sich Palmöl explosionsartig verbreitet hat? Auch wenn das der Industrie nicht passen wird: Unsere Küche sollte mit weniger Fertig- und Halbfertigprodukten und mit mehr regionalen und saisonalen Zutaten auskommen können.
Wofür steht die RSPO und ihr Zertifikat für nachhaltiges Palmöl?
Die Organisation Roundtable on Sustainable Palm Oil (RSPO) setzt sich seit gut 14 Jahren für nachhaltiges Palmöl ein. Doch genau wie das Palmöl selber ist auch die RSPO umstritten. Gegnerinnen und Gegner proklamieren, dass das CSPO-Zertifikat der Organisation (Certificate of Sustainable Palm Oil) nur dem guten Gewissen von Unternehmen und Konsumenten dient. Richtlinien würden nicht eingehalten und Mitglieder zu wenig kontrolliert. Sie fordern strengere Vorschriften und härtere Strafen bei Vergehen.
Immerhin schloss sie den internationalen Grosskonzern Nestlé 2018 von der Mitgliederorganisation aus. Nestlé hatte Beiträge nicht bezahlt und gegen die Transparenzrichtlinien der RSPO verstossen. Als Konsequenz durfte der Konzern seine Produkte nicht mehr mit dem CSPO - Siegel kennzeichnen - zumindest für kurze Zeit. Nach knapp zwei Wochen hatte der Konzern reagiert und der Ausschluss wurde wieder rückgängig gemacht. Für Nestlé ist die RSPO-Welt damit wieder in Ordnung... Auf jeden Fall setzte die RSPO aber mit dem Ausschluss dieses globalen Big-Players ein dringend notwendiges Zeichen in die richtige Richtung.
Ist zertifiziertes Palmöl die Lösung?
BOS Schweiz spricht sich für zertifiziertes Palmöl und vor allem für eine Reform bzw. Weiterentwicklung des existierenden RSPO-Regimes aus. Das Ende der Fahnenstange ist dort noch lange nicht erreicht. Dieser Weg ist vor allem deshalb sinnvoll, weil auf die Schnelle recht viel erreicht werden kann. Die Tendenz, zertifiziertes Palmöl als das Nonplusultra zu propagieren, sehen wir jedoch kritisch.
Es ist bewiesen, dass Palmöl die globale Biodiversität schädigt und das Überleben der Orang-Utans massiv gefährdet. Auch für zertifiziertes Palmöl wird (und wurde) Regenwald abgeholzt und Lebensraum für unzählige Tier- und Pflanzenarten geopfert. Wir von BOS Schweiz geben uns nicht damit zufrieden, dass wir zertifiziertes Palmöl als Rechtfertigung für unseren Konsum benutzen. Wir hinterfragen unseren Konsum täglich. Und Sie?
Was kann ich als Kosument*in beim Einkauf von Lebensmitteln und weiteren palmölhaltigen Produkten beachten?
Mit Apps wie Codecheck die Inhaltsangaben prüfen und auf Produkte mit Palmöl verzichten. Palmöl ist in vielen Kosmetikprodukten, Fertiggerichten, Waschmitteln, Süssigkeiten und vielem mehr. Bei den Inhaltsangaben gibt es sehr viele verschiedene Bezeichnungen dafür. Bei vielen ist auch nicht sofort zu erkennen, dass es sich um Palmöl handelt. Hier ist eine Liste mit Bezeichnungen für Palmöl.