Nachwuchs im Regenwald: Wenn Auswilderung zum Artenschutzerfolg wird
Der grösste Erfolg für uns ist Nachwuchs in der Wildnis.
Nach der Auswilderung beginnt ein nicht ungefährliches, aber freies und wildes Leben im Dschungel mit all seinen Herausforderung. Wird der ausgewilderte Orang-Utan überleben? Erleidet er oder sie herbe Rückschläge? Oder glückt der Schritt in die Freiheit wie im Falle von Inung? Sie wurde vor einigen Jahren freigelassen und lebt heute mit ihren beiden Jungtieren Indie und Indro selbständig im dichten Regenwald von Batikap.
Wenn sich die Tür der Transportkiste öffnet und ein Orang-Utan in den Regenwald entlassen wird, ist das nicht das Ende einer langen Reise, sondern der Anfang eines neuen Kapitels. In dieser neuen Freiheit kommt es auf alles an, was die Tiere zuvor in der Rettungsstation, der Waldschule und auf den Vorauswilderungsinseln gelernt haben.
Doch auch wenn keine Menschen mehr direkt eingreifen, bleiben die Tiere nicht ganz unbeobachtet. Das Team von BOS begleitet sie durch sogenanntes Post-Release-Monitoring. Dabei tragen die Orang-Utans einen kleinen Chip unter der Haut, der mithilfe von Radiotracking ihre Bewegungen im Wald verfolgt. So kann das Team im Notfall eingreifen, etwa bei Verletzungen, Krankheit oder wenn sich ein Tier ungewöhnlich verhält. Gleichzeitig liefern die Beobachtungen wichtige Daten für den langfristigen Schutz der Art.

Inung und ihre kleine Familie
Ein besonders schönes Beispiel für eine erfolgreiche Auswilderung ist Inung. Die Orang-Utan-Dame wurde vor einigen Jahren freigelassen und hat sich seither vollständig in der Wildnis eingelebt. 2024 wurde sie regelmässig mit ihrer Tochter Indie rund um das Camp Totat Jalu im Nationalpark Bukit-Batikap gesichtet. Die beiden waren oft bei einem Guavenbaum hinter dem Camp anzutreffen, wo sie sich mit Früchten, Maniok und Bananentrieben versorgten.
Dann, im August 2025, die Überraschung: Inung hatte ein weiteres Jungtier geboren. Der kleine Indro wurde beim Beobachten der Familie plötzlich sichtbar. Er lag geschützt in Inungs Armen und trank regelmässig. Die Mutter kümmerte sich fürsorglich um ihn und setzte gleichzeitig ihr gewohntes Verhalten fort, suchte Futter und blieb in Bewegung. Indros Geburtstag wird auf Ende Juli 2024 datiert und er gilt bis heute als gesund und kräftig. Ein sehr seltener Fall, denn meistens gebären Orang-Utans nur alle sechs bis acht Jahre.

Indie wird selbstständiger
Auch Indie, die ältere Schwester von Indro, zeigt spannende Entwicklungen. Obwohl sie noch stark an ihrer Mutter hängt und gelegentlich nach Futter bettelt, entfernt sie sich inzwischen bis zu 15 Meter von Inung, erkundet die Umgebung und klettert auf Bäume in bis zu 20 Metern Höhe. Ihre Körpersprache zeigt, dass sie zunehmend eigenständig wird. Gleichzeitig ist sie sehr wachsam gegenüber Menschen und schützt ihren kleinen Bruder, indem sie sich zwischen ihn und mögliche Störungen stellt.
Dieses Verhalten ist ein wichtiges Zeichen für eine artgerechte Entwicklung. Und genau wie ihre eigene Mutter in der BOS-Waldschule von den Babysitterinnen gelernt hat, lernt Indie nun von ihrer Mutter durch Beobachtung und Nachahmung.
Fokuswoche zum Welt-Orang-Utan-Tag
Dieser Artikel ist Teil unserer Themenwoche rund um die Rehabilitierung und Auswilderung von Orang-Utans bei BOS.
Bereits erschienen:
– Die Rettung: Wenn jede Minute zählt
– Das Babyhaus: Geborgenheit für die Kleinsten
– Die Waldschule: Wie Orang-Utans das Überleben lernen
– Auswilderung: Der grosse Schritt in die Freiheit
Aktueller Beitrag:
– Nachwuchs im Regenwald: Wenn Auswilderung zum Erfolg wird

Leben in Freiheit – aber nicht ohne Risiken
Auch wenn die Auswilderung gelingt, bleibt das Leben in freier Wildbahn anspruchsvoll. Orang-Utans müssen sich selbst ernähren, Nester bauen, sich vor natürlichen Fressfeinden wie Raubkatzen oder Giftschlangen schützen und Krankheiten überstehen. Klimawandel, Waldbrände oder illegale Abholzung können das Nahrungsangebot verringern oder sogar den Lebensraum gefährden.
BOS begegnet diesen Herausforderungen mit einer Kombination aus langfristigem Monitoring, enger Zusammenarbeit mit lokalen Behörden, der Ausbildung und Ausrüstung von Brandschutzteams, Patrouillen und Umweltbildungsprojekten. Gleichzeitig wird sichergestellt, dass die Tiere in möglichst abgelegene Gebiete ausgewildert werden, wo das Risiko menschlicher Einflüsse gering ist.

Ein Zeichen für Hoffnung
Die Geburt von Indro ist mehr als ein schöner Moment. Sie zeigt, dass das BOS-Auswilderungsprogramm funktioniert. Inung hat nicht nur überlebt, sondern sich ein stabiles Leben aufgebaut. Sie versorgt zwei Jungtiere, bewegt sich sicher durch den Regenwald und lebt fernab vom Menschen. Das ist der eigentliche Erfolg der Arbeit von BOS: Orang-Utans in Not, die nicht nur als Individuen gerettet werden, sondern in der Natur wieder Wurzeln schlagen und somit zum Erhalt der ganzen, vom Aussterben bedrohten Art beitragen. Kaum eine andere Organisation vereint den Tierschutz und den Artenschutz auf diese Art und Weise unter einem Dach.

Helfen Sie uns, die Art zu erhalten
Unsere Arbeit endet nicht mit der Auswilderung. Um Tiere wie Inung, Indie und Indro weiterhin zu schützen, braucht es langfristige Unterstützung. Mit Ihrer für den Waldschutz helfen Sie uns, den Orang-Utans ein sicheres Zuhause zu ermöglichen.