Auswilderung: Der grosse Schritt in die Freiheit
Manchmal werden die Orang-Utans sogar per Helikopter in die Freiheit transportiert.
In den BOS-Rettungsstationen verbringen Orang-Utans oft ein Jahrzehnt, bevor sie bereit sind für ein Leben in der Wildnis. Der Moment der Auswilderung ist deshalb nicht nur ein emotionaler Meilenstein, sondern auch das Ergebnis jahrelanger und mühevoller Vorbereitung. Wie dieser Weg aussieht, zeigt das Beispiel von Orang-Utan Jumbo.
Nach acht Jahren in der Waldschule zeichnete sich klar ab: Jumbo war bereit für den nächsten Schritt. Im Jahr 2021 wurde er gemeinsam mit drei weiteren Mitschüler*innen auf die Vorauswilderungsinsel Salat Island gebracht. Dort lebte er unter möglichst natürlichen Bedingungen, suchte selbstständig nach Nahrung, baute Nester und hielt sich von Menschen fern. Genau so, wie es sein sollte. Nur gelegentlich wurde er beim Fressen beobachtet, meist mied er die Nähe des BOS-Teams. Ein gutes Zeichen.
Doch die Wildnis stellt auch auf der kontrollierten Insel hohe Anforderungen. Bei einer Sichtung im September 2021 fiel auf, dass Jumbo stark abgenommen hatte. Schnell wurde entscheiden: Er muss zurück in die Klinik nach Nyaru Menteng. Dort erhielt Jumbo speziell für ihn zusammengestellte Nahrung und intensive Betreuung. Erst ein Jahr später war er wieder stark genug für einen zweiten Anlauf. Diesmal schaffte er es: 2025, nach drei Jahren auf Salat Island, war Jumbo endlich bereit für die Freiheit.

Der Weg in den Regenwald
Bevor ein Orang-Utan ausgewildert werden kann, durchläuft er eine letzte intensive Vorbereitungsphase. Auch Jumbo wurde dafür nochmals eingefangen, medizinisch untersucht und gechipt, damit er später im Regenwald geortet werden kann. Kurz vor der Auswilderung und nach einer erneuten Quarantänezeit wurde er in eine speziell für Orang-Utans angefertigte Transportkiste gebracht – dunkel, ruhig, schützend.
Die Reise führte ihn bzw. das Auswilderungsteam per Auto, Boot und zu Fuss bis tief in den Bukit Baka Bukit Raya Nationalpark in Zentral-Kalimantan. Oft müssen die Pick-up Trucks samt wertvoller Ladung steile Hänge hochgeschoben werden, weil der Boden so matschig ist, dass die Wagen ohne menschliche Unterstützung nicht mehr vorwärts kommen. Insgesamt dauerte dieser Reiseabschnitt rund 14 Stunden. Unsere Tierärzte und Tierpfleger sorgten stets dafür, dass alles möglichst stressfrei ablief. Doch vor allem die letzte Etappe ist sehr beschwerlich. Hier trägt das Team die massiven Holz- und Metallkisten mit den ausgewachsenen Orang-Utans zu Fuss durch unwegsames Gelände.
Fokuswoche zum Welt-Orang-Utan-Tag
Dieser Artikel ist Teil unserer Themenwoche rund um die Rehabilitierung und Auswilderung von Orang-Utans bei BOS.
Bereits erschienen:
– Die Rettung: Wenn jede Minute zählt
– Das Babyhaus: Geborgenheit für die Kleinsten
– Die Waldschule: Wie Orang-Utans das Überleben lernen
Aktueller Beitrag:
– Auswilderung: Der grosse Schritt in die Freiheit
Demnächst:
– Nachwuchs im Regenwald: Wenn Auswilderung zum Erfolg wird

Freiheit nach einem Jahrzehnt
Am Auswilderungsort angekommen, werden die Käfige der Orang-Utans behutsam geöffnet. Die Orang-Utans entscheiden selbst, wann sie sich aus dem Käfig getrauen. Oft dauert das nicht lange, so wie bei Jumbo auch. Die Tür von Jumbos Kiste wurde vorsichtig geöffnet. Und ohne zu zögern kletterte er direkt in die Baumkronen. Nur wenige Minuten später war er kaum noch zu sehen. Hoch oben im Blätterdach erkundete er sein neues Zuhause, als hätte er nie woanders gelebt.

Was eine erfolgreiche Auswilderung ausmacht
Ob eine Auswilderung gelingt, zeigt sich nicht in den ersten Stunden, sondern über Monate und Jahre. Das BOS-Team begleitet die Tiere mit GPS, Radio-Tracking und Sichtbeobachtungen. Wichtig ist, dass die Tiere selbstständig Futter finden, täglich neue Nester bauen, Gefahren erkennen und sich artgerecht gegenüber anderen Orang-Utans verhalten.
Jumbos Verhalten nach seiner Freilassung lässt hoffen. Seine schnelle Orientierung, sein flinkes Kletterverhalten und die sichere Distanz, die er so sofort zwischen sich und die anwesenden BOS-Mitarbeitenden brachte, zeigen: Er ist angekommen.

Ein Hoffnungsträger für viele
Jumbos Geschichte steht exemplarisch für das, was BOS seit Jahren leistet: fast 600 erfolgreiche Auswilderungen, hunderte Kilometer Fussmärsche, zahllose Stunden Beobachtung, Planung und Pflege. Und trotzdem ist jede einzelne Freilassung einzigartig. Denn jedes Tier hat seine eigene tragische Geschichte, seine eigenen Herausforderungen und seine eigene Zukunft.

Helfen Sie mit: Hilfspakete für die Freiheit
Eine Auswilderung ist sehr aufwändig. Von der Vorbereitung bis zum Monitoring kostet sie bis zu 10 000 Franken pro Tier. Nur mit Ihrer Hilfe können wir Orang-Utans wie Jumbo den Weg zurück in die Wildnis ermöglichen.
Ihre Spende sichert die letzte Etappe eines langen Weges und schenkt einem Orang-Utan die Rückkehr in ein freies, artgerechtes Leben im Regenwald.